1. Satz: Ouverture. Fuga


2. Satz: Adagio


3. Satz: Menuett. Trio


4. Satz: Gavotte


5. Satz: Gigue

>>> Quellen

AUFFÜHRUNGSDAUER: ca. 29 Min.

VERLAG: G. Schirmer (Music Sales Classical)

Schönbergs »Suite« entstand im letzten Viertel des Jahres 1934, mithin zu jener Zeit, da sich der emigrierte Komponist gerade an der amerikanischen Westküste zu etablieren begann. Es handelt sich um das erste umfangreichere tonale Werk, das Schönberg nach einem Vierteljahrhundert der Beschäftigung mit Atonalität und Zwölftontechnik abgeschlossen vorlegte. Dass Schönberg seit seinem Zweiten Streichquartett von 1908 keine Dur-Moll-tonale Komposition mehr veröffentlichte, darf freilich nicht zu der Annahme verleiten, dass er sich nicht auch weiterhin in Gelegenheitsarbeiten, Bearbeitungen fremder Werke und mehreren unvollendet gebliebenen Versuchen mit der Tonalität auseinandergesetzt habe. Schönberg sprach von einer »Sehnsucht«, zu dem »älteren Stil zurückzukehren«, die »immer mächtig« in ihm gewesen sei: »Also schreibe ich manchmal tonale Musik«, fuhr er fort, »für mich haben stilistische Unterschiede dieser Art keine besondere Bedeutung.« Wichtig war es ihm aber auch festzuhalten, dass die neuerliche Anwendung dur-moll-tonaler Verfahren keine Konzession an den Geschmack des amerikanischen Publikums bedeutete. In einem Anfang 1935 verfassten Vorwort zur »Suite« verteidigte sich Schönberg so gegen die zu erwartende Kritiker-Häme, mit dieser Komposition seinem zwölftönigen Schaffen abgeschworen zu haben, und er betonte vor allem den pädagogischen Anspruch seines Werkes. Der Komponist hatte die »Suite« nämlich auf Anregung des Musikers Martin Bernstein von der New York University geschrieben, der dort eine ambitionierte Tätigkeit als Leiter eines Schülerorchesters entfaltete. Schönberg nannte sein Werk im Hinblick darauf »ein Lehrbeispiel« für »jene Fortschritte, die innerhalb der Tonalität möglich werden, wenn man wirklich Musiker ist und sein Handwerk kann: eine wirkliche Vorbereitung nicht nur in harmonischer Sicht, sondern auch in melodischer, kontrapunktischer und technischer [...].« Und er fügte nicht ohne Ironie hinzu: »Ohne die Schüler vorläufig einer Schädigung durch das ›Gift der Atonalität‹ auszusetzen, sollte hier in einer Harmonik, die zu modernen Empfindungen leitet, auf moderne Spieltechnik vorbereitet werden.« Entsprechend stimmen die musikalischen Techniken des Werkes in ihrer Vielfalt und ihrem kunstgerechten Einsatz durchaus mit jenen Verfahrensweisen überein, die Schönberg in der eigenen Unterrichtstätigkeit jener Zeit an den Meisterwerken der »klassischen« Tradition zu vermitteln suchte. Die von fugierten Elementen getragene »Ouverture« verdeutlicht Schönbergs kontrapunktische Fähigkeiten, eine besondere Kunst des ausgewogen unregelmäßigen Einsatzes von Rhythmus und Metrum erweisen die Tanzsätze »Menuett« und »Gavotte«. Auf die gestaltreichen Möglichkeiten motivisch-thematischer Verarbeitung zielen vor allem das »Adagio« und die abschließende wirkungsvolle »Gigue«. Dass Schönberg bei anderer Gelegenheit unterstrich, mit der »Suite« auch ein »›Lehrstück‹ für [s]eine Kompositionsschüler geplant« zu haben, erweist freilich erst die tatsächliche Dimension des Anspruchs, den er mit seinem Werk stellte: Eine didaktische Brücke zwischen der musikalischen Überlieferung und einem emphatischen Bekenntnis zur »Moderne« zu schlagen. Der punktierte Rhythmus des »Largo«-Beginns der »Ouverture«, die Grazilität der »Gavotte«, der Bordun der »Musette« und der 12/8-Rhythmus der »Gigue« sind nur als oberflächliche Indizien für Schönbergs Ausrichtung an der musikalischen Tradition zu werten. Schönberg will die vorgefundenen Zeugnisse der Überlieferung weder nachahmen noch verfremdend parodieren. Er sieht sich vielmehr von einer als fortlebend empfundenen Traditionslinie der »deutschen Musik« seit Bach und Mozart getragen und versucht in seiner eigenen Komposition, das aus der Vergangenheit Gelernte zeitgemäß zum Klingen zu bringen. Mit »Lehrbeispielen« wie der »Suite« wollte Schönberg – wie er selber sagte – einer »Neuheit« nachspüren, die »niemals vergeht«.

Matthias Schmidt
© Arnold Schönberg Center