>>> Quellen     

AUFFÜHRUNGSDAUER: ca. 8 Min.

VERLAG:
Universal Edition
Belmont Music Publishers (USA, Canada, Mexico)

Arnold Schönbergs Werdegang als Komponist dürfte während des Violinunterrichts seinen Anfang genommen haben: »Als Kind von weniger als neun Jahren hatte ich begonnen, kleine und später größere Stücke für zwei Geigen zu schreiben, indem ich die Musik imitierte, die ich mit meinem Lehrer und einem Vetter spielte. Als ich die Duette von Viotti, Pleyel und anderen spielen konnte, imitierte ich deren Stil. So lernte ich zu komponieren in dem Maße, in dem ich Violine spielen lernte.« In seiner Jugend entstanden vor allem Lieder und kleiner besetzte Instrumentalwerke, wohl auch angeregt durch die rege Kammermusikpraxis mit Freunden. Als er einen Klassenkameraden fand, der Bratsche spielte, wurde die Duo-Besetzung zum Trio erweitert. Mit dem Geld, das Schönberg sich durch Deutschunterricht verdient hatte, besorgte er sich Beethovenpartituren: »[...] es waren die dritte und die vierte Sinfonie, zwei der Razumovsky-Quartette und die große Fuge für Streichquartett, op. 133. Von da an besaß ich das Verlangen, Streichquartette zu schreiben.« Entscheidend war die Begegnung mit dem Violinisten und späteren Arzt Oskar Adler, Schönbergs Freund aus der Realschulzeit, der ihm nicht nur erste Grundlagen in Harmonielehre und Gehörbildung vermittelte, sondern mit dem zusammen er im Freundeskreis ebenso die Klassiker der Streichquartettliteratur bis zum 19. Jahrhundert spielte. Schönberg erinnerte sich später lebhaft an jene Zeit: »Wir wollten Quartette von Mozart und Beethoven spielen, also besorgte Adler eine größere Bratsche, die mit Zithersaiten versehen war, auf denen sich Tonhöhen und -umfang eines Cellos erzeugen ließen. Dieses Instrument sollte ich spielen, was ich auch tat, indem ich, da ich es nicht besser wußte, den Fingersatz der Bratsche benutzte. Bald darauf erwarb ich ein Cello, und auch dieses spielte ich mit dem gleichen Fingersatz, mit dem ich Geige, Bratsche und auch das (von mir sogenannte) Violoncello gespielt hatte. Das ging so eine ganze Weile fort, bis Adler von einem wirklichen Cellisten gehört hatte, daß der Fingersatz auf dem Cello anders sei.« Auch im Gedächtnis Adlers sind diese Quartettspiele lebendig geblieben, wie er 1948 berichtete: »Oft denke ich an die Zeit zurück, da wir zusammen Quartett spielten, in dem Dienstbotenkammerl in der Augartenstraße am Sonntagnachmittag, und an die anschließenden Spaziergänge im Prater mit philosophischen Gesprächen [...]« In zahlreichen Quartett-Projekten erprobte Schönberg fortan sein kompositorisches Können, bis er 1897 ein Streichquartett in D-Dur abschloss, seine erste erhaltene Komposition größeren Umfangs.
Bei Schönbergs Scherzo in F-Dur handelt es sich um den ursprünglichen zweiten Satz seines Streichquartetts in D-Dur. Die Gemeinsamkeiten dieses Stückes mit dem späteren Intermezzo beschränken sich jedoch auf nicht mehr als den Themeneinsatz im Bratschensolo. Das Scherzo-Thema baut sich aus zwei-, dann dreitönigen Motiven auf und wird gefolgt von einer motivisch etwas ausführlicheren Fortführung in der Violine. In der langen Durchführung zeigt Schönberg einmal mehr seine frühe Meisterschaft in der Verarbeitungstechnik, die gegenüber dem Eröffnungssatz des D-Dur Quartetts in nichts zurücksteht. Das Hauptthema erscheint zunächst deutlich rauer als zu Anfang, um über zahlreiche Zwischenstufen schließlich zu seiner Ursprungsgestalt zurückzugelangen. Im Trio wird das Klangbild etwas leichter, wobei Schönberg mit einigen rhythmischen und motivischen Figurationen geschickt auf die bisher eher vernachlässigte Themenfortführung des ersten Abschnitts anspielt. Angesichts dieser hohen kompositorischen Dichte mag es verwundern, dass Zemlinsky seinen Schüler anregte, diesen Satz durch das ungleich leichtgewichtigere Intermezzo zu ersetzen. Der Lehrer neigte allerdings selbst dazu, in seinen Werken dieser Zeit das Scherzo durch einen sanfteren Satz zu ersetzen. Wahrscheinlich meinte er, dass nach der Eröffnung des Quartetts ein weiterer, ähnlich komplexer Satz das Gleichgewicht der Komposition stören könnte.

Eike Feß
© Arnold Schönberg Center