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AUFFÜHRUNGSDAUER: ca. 6 Min.

VERLAG: Belmont Music Publishers

Nathaniel Shilkret war ein ebenso vielseitiger wie vielbeschäftigter amerikanischer Musiker. Als versierter Klarinettist spielte er in Orchestern und Bands, trat als Dirigent mit Arrangements populärer Musik hervor und machte sich einen Namen mit zahlreichen Schallplattenproduktionen. Sein kompositorisches Schaffen galt neben eingängigen Songs vor allem der Filmmusik. Überdies suchte er seinen musikalischen Radius zu erweitern: 1934 plante Shilkret, Unterrichtsstunden bei Arnold Schönberg zu nehmen, wahrscheinlich wurde das Vorhaben aber nicht realisiert. Gut zehn Jahre danach nahm er im Zuge eines Projekts für das Konzertpodium erneut Kontakt auf. Shilkret vergab Aufträge an sechs amerikanische Komponisten für ein Stück zu einer großangelegten Genesis Suite für Sprecher, Chor und Orchester, die unmittelbar nach der Uraufführung auf Schallplatte erscheinen sollte. Mit seinem »Bibel Album« suchte er ein breites Publikum anzusprechen: »Meine Vorstellung richtete sich an die Massen – ich wollte alle Plattenkäufer ansprechen […] – nicht nur Musikliebhaber eines ultramodernen Typs, sondern alle Käufer, die Musik und die Bibel mögen.« Schönberg erklärte sich nicht zuletzt angesichts des ungewöhnlich hohen Honorars von 1.500 $ dazu bereit, ein kurzes Vorspiel für Chor und Orchester zu komponieren. Die übrigen Teile stammen von Shilkret selbst (»Die Schöpfung«), Alexander Tansman (»Der Sündenfall«), Darius Milhaud (»Kain und Abel«), Mario Castelnuovo-Tedesco (»Die Sintflut«), Ernst Toch (»Die Verheißung«) und Igor Strawinsky (»Der Turmbau zu Babel«).
Das zwölftönige Prelude op. 44 für gemischten Chor und Orchester sollte am Anfang der Suite stehen. Die Reihe ist so angelegt, dass die ersten acht Töne in Zweiergruppen zusammengefasst ausschließlich Terzen ergeben, was vor allem zu Beginn die Harmonik des Stücks prägt. Aus einem diffusen Klangfeld, das den Zustand der Welt vor der Schöpfung schildert, heben sich allmählich melodische Elemente hervor. Im Zentrum stehen zwei kontrapunktisch miteinander verknüpfte Themen, die aus verschiedenen Tonauswahlen der Reihe gewonnen sind. Zu Anfang in Englischhorn und Fagott vorgetragen, verdichtet sich der Orchestersatz zunehmend, um nach einer großen Steigerung im Choreinsatz zu münden. Schönberg, offenbar besorgt, seine Musik könnte bei der Uraufführung durch das in Los Angeles gegründeten Jannsen Symphony Orchestra allzu plakativ interpretiert werden, notierte in Takt 12 des Particells: »Immer ohne Vibrato und Portamento nach Hollywood-Art; auch große Intervalle dürfen nicht durch Gleiten verbunden werden, sondern, wenn nötig, durch Ausgreifen. Dieses Gleiten ist abscheulich sentimental.« Bei der Schallplatten-Aufnahme des Stücks zeigen sich die Violinen hörbar bemüht, den Vorstellungen des Komponisten zu folgen. Der gemischte Chor verfällt in Tonbildung und Intonation hingegen in Klischees aus der Filmmusik der 1940er Jahre. Trotz der konzisen und formal überschaubaren Anlage des Werkes äußerte Nathaniel Shilkret gegenüber seiner Frau Bedenken: »Schönbergs Stück ist so ultramodern und zwölftönig, dass selbst Du mit all Deiner Erfahrung denken wirst, dass gerade eine Katze über das Klavier springt – es ist große Musik aber – so neu im Klang.« Ähnlich distanziert sprach er über Igor Strawinskys Komposition »Babel«. Um sein Publikum nicht zu verschrecken, beschloss Shilkret, beide Werke an den Schluss des Pasticcio zu stellen, wobei er Schönbergs Prelude willkürlich in ein Postlude verwandelte.

Eike Feß | © Arnold Schönberg Center