1. Bild: Die Bühne ist fast ganz finster. Vorn liegt der Mann, das Gesicht am Boden. Auf seinem Rücken sitzt ein katzenartiges Fabeltier

2. Bild: Ein etwas größerer Bühnenausschnitt; tiefer und breiter als der erste. Im Hintergrund eine zart lichtblaue, himmelartige Leinwand. Unten links, ganz nahe dem hellbraunen Erdboden

3. Bild: ...Nun ist bei vollständig ausgenützter Bühnentiefe und -breite folgendes Bild zu sehen: Wilde Felsenlandschaft; schwärzlichgraue, mit wenigen Nadelbäumen (die silbergraue Äste haben) bewachsene Felsen... sowie die Scene erhellt ist, sieht man den Mann aus der Schlucht heraussteigen


4. Bild: Das Bild von der ersten Scene

AUFFÜHRUNGSDAUER: ca. 18 Min.

>>> Libretto | Quellen

VERLAG:
Universal Edition
Belmont Music Publishers (USA, Kanada, Mexico)

Schönbergs »Drama mit Musik in einem Akt« wurde am 14. Oktober 1924 in der Wiener Volksoper uraufgeführt, obgleich die Komposition schon wesentlich früher entstanden war. Den Text hatte Schönberg bereits 1911 im »Merker« als seine erste vollendete und gesondert publizierte Dichtung veröffentlicht. Er war im Anschluss an die Komposition der »Erwartung«, zwischen September 1909 und Juni 1910, entstanden. Schönberg hatte zur selben Zeit zwar auch mit den Entwürfen für die Musik begonnen, aber – bei einem Werk von zwanzig Minuten Dauer durchaus ungewöhnlich – erst Ende 1913, wie es in einem Brief an Franz Schreker heißt, an sein Werk »die letzte glückliche Hand angelegt«. Egon Wellesz kennzeichnete die Komposition einmal als ein beispielhaftes Werk des musikalischen Expressionismus, was er insbesondere mit der Übernahme von »Strindbergs Stationentechnik als Dramenform des Einzelnen, dessen Weg durch eine entfremdete Welt er anstelle zwischenmenschlicher Handlungen zu gestalten sucht«, begründete. Und tatsächlich lassen sich in der Typisierung der Charaktere und in der Statik der formalen Anlage Einflüsse vor allem aus »Ein Traumspiel«, aber ebenso aus »Der Vater« oder dem ersten Teil von »Nach Damaskus« verfolgen.
Die Szenenreihung wird vor allem durch die abstrakt angelegte Gestalt des Protagonisten, der dem Typus des zur Kommunikation mit der Außenwelt unfähigen genialen Künstlers entspricht und Züge des »Strindbergschen Einsamen« (Theodor W. Adorno) trägt, zusammengehalten: »Innen, in ih[m]«, so betonte Schönberg 1909 in einem Aphorismus, »ist die Bewegung der Welt«. An der Rampe liegt ein Mann mit von einem katzenartigen Fabeltier niedergepressten Gesicht, das in seinen Nacken verbissen scheint. Im Hintergrund treten aus kleinen Öffnungen Gesichter von sechs Frauen und sechs Männern hervor, die flüsternd auf den Mann einsprechen. Getrieben von der Sehnsucht nach unerfüllbaren Träumen und Glückshoffnungen, will der Mann der Wirklichkeit begegnen. Die Stimmen warnen: »Du, der du das Überirdische in dir hast, sehnst dich nach dem Irdischen! Und kannst nicht bestehen!« Von einem Kreis der heller werdenden Bühnenmitte lässt sich der Mann ins grelle Sonnenlicht der Wirklichkeit locken. Er begegnet hier der Liebe in Gestalt einer jungen schönen Frau, die ihm einen Becher reicht. Während der Mann trinkt, erkaltet die Zuneigung der Frau; sie wendet sich gleichgültig einem eleganten Snob zu und verlässt mit diesem die Bühne. Obwohl sie zurückkehrt, beachtet sie der Mann nicht mehr. Er starrt auf seine Hände, während er spricht: »Nun besitze ich dich für immer!« In der folgenden Szene bemüht sich der Mann, eine Schlucht emporzuklettern, an deren Ende zwei Grotten liegen. In einer befinden sich Männer bei der Arbeit. Er geht zum Amboss, legt ein Goldstück darauf und spaltet den Amboss mit einem Hammerschlag. Als er das Goldstück aus dem Spalt, in dem es versank, herausholt, ist es zu einem kostbaren Diadem geworden. »So schafft man Schmuck«, belehrt der Mann die Arbeiter, die ihn feindselig zu bedrohen beginnen. Die Werkstatt verschwindet, in der zweiten Grotte erscheint, halbnackt, die Frau. Das fehlende Kleidungsstück wirft der Snob dem Mann mit größter Gleichgültigkeit zu. Verzweifelt versucht der Mann, die Frau zu erreichen. Als er ihr an einem Felsen nahekommt, verwandelt sich dieser in eine hämische Fratze. Die Frau gibt dem Stein einen Stoß, er fällt auf den Mann und verwandelt sich zum Fabeltier des Beginns in seinem Genick. Wie am Anfang flüstern die Stimmen dem am Boden Hockenden zu: »Mußtest du’s wieder erleben ...? – Und suchst dennoch! – Und quälst dich! – Und bist ruhelos!«
Schönbergs von einer »Logik des Traums« (Kurt Blaukopf) bestimmter Einakter dokumentiert eine Schnittstelle zwischen der Kunstmetaphysik des 19. Jahrhunderts und den Ideen der avantgardistisch gesonnenen Moderne: Zum einen erscheint seine bedeutungsschwangere Symbolsprache zutiefst der romantischen Idee des Künstlers verbunden, welcher zwanghaft auf sein Ich reflektiert und im Dienst an der Kunst Verzicht auf Liebe und Gesellschaft leisten muss. Trost findet er lediglich in dem, was er kraft seiner Leiden mit der begnadeten, »glücklichen« Hand erschafft. Zum anderen arbeitet der Komponist musikalisch mit der so avanciert eingesetzten Sprechstimmentechnik des »Pierrot«, die Tonhöhe und Rhythmus exakt vorgibt, sich aber weder als Gesang noch allein als Rede verwirklicht wissen will; Orchesterpolyphonie und musikdramatische Technik zeigen sich ähnlich radikal wie in der zuvor entstandenen »Erwartung« eingesetzt. Zugleich kehrt Schönberg gegenüber dem Monodram aber auch zu festeren Formen und einer deutlicheren Reprisenarchitektur zurück.
Schönberg beschäftigte sich zur Entstehungszeit von »Erwartung« und »Die glückliche Hand« – als einem Vehikel seines synästhetischen Ausdruckskonzeptes – eindringlich mit den Möglichkeiten der Farbpsychologie, und er entdeckte hierbei Übereinstimmungen mit dem Denken Wassily Kandinskys. Es überrascht daher kaum, dass sein »Drama mit Musik« Gesten, Farben und Licht erklärtermaßen »wie sonst Töne« zu behandeln versuchte, »als Spiel mit den Erscheinungen von Farben und Formen«. Der Komponist wies im Nachhinein selbst auf Entsprechungen zwischen der »Glücklichen Hand« und etwa Kandinskys im »Blauen Reiter« erschienenen Bühnenstück »Der gelbe Klang« hin. Gewisse Gemeinsamkeiten finden sich auch zwischen Kandinskys »Über das Geistige in der Kunst« und Schönbergs Entwürfen für »Die glückliche Hand«: Im Zentrum von Kandinskys Überlegungen steht die Idee eines »inneren Klangs«, welcher der Farbe innewohne, »seelische Vibration« hervorrufe und darin einen »direkten Einfluß auf die Seele« auszuüben vermöge. Ein der »Handlung entspringender seelischer Vorgang [zeige sich] nicht nur durch Gesten und Bewegung und Musik ausgedrückt«, sondern auch durch »Farben und Licht«, mit denen »Musik gemacht« werde, so bemerkte Schönberg 1928. Seine künstlerische Idee verwirklicht sich in der »Strukturgleichheit« (Reinhold Brinkmann) aller am dramatischen Geschehen beteiligten Ebenen, die in eine szenisch-optisch-textlich-musikalische Gesamtgestalt zu übertragen gesucht werden.

Matthias Schmidt | © Arnold Schönberg Center

Libretto und Einführung als PDF