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FASSUNGEN:
Fassung für Chor und Orchester (Stützstimmen für den Chor) von Arnold Schönberg (1911)

VERLAG: Schott

»Hast Du Deinen Chor überhaupt schon gehört? Weißt du denn selbst, wie schön er ist? Unerhört! Welch ein Klang! Im höchsten Grade aufregend.« (Anton Webern an Arnold Schönberg, November 1928)
Einem – nicht verifizierbaren – Bericht Egon Wellesz’ zufolge komponierte Schönberg sein A-cappella-Chorwerk »Friede auf Erden« wie die beiden Balladen op. 12 für ein Preisausschreiben. Entwürfe für op. 13 finden sich in dem III. Skizzenbuch zwischen den Datierungen 14. August 1906 und 9. März 1907 (Vollendung des Chorsatzes und erste Skizzen zum 2. Streichquartett). Die Anmerkung zu einer Reinschrift-Quelle, das Werk sei »womöglich ohne Begleitung (a capella) auszuführen; nur für den Fall, als die Reinheit der Intonation ausbleiben sollte, ist die Orgel zur Begleitung heranzuziehen«, mag im Zusammenhang mit den aufgrund unüberwindbarer Schwierigkeiten abgesagten Proben des Singvereins unter Franz Schalk im Jahr 1908 zu verstehen sein. »Friede auf Erden« wurde erst am 9. Dezember 1911 unter der Leitung von Franz Schreker in Wien uraufgeführt. Bereits vor Beginn der ersten Proben regte der Dirigent die »Unterstützung mit Streichorchester« an.
Schönberg, der sich seit Sommer 1911 am Starnberger See und später in Berlin aufhielt, schloss seine Orchesterpartitur (Streicher und Bläser) am 6. Oktober 1911 ab. Emil Hertzka, Direktor der Universal Edition, hatte seit August über eine Drucklegung in der originären A-cappella-Fassung verhandelt und aus Kostengründen Einwände gegen eine zusätzliche Orchesterbegleitung geäußert. Schönberg erwiderte, dass er die orchestrierte Fassung nur für die Uraufführung konzipiere, »weil Schreker es ohne das nicht mit seinem jungen Chor riskieren kann, eine die Sicherheit der Intonation ermöglichende Begleitung, die aber nicht als kompositionell mit dem Werk zusammenhängend anzusehen ist!« Die Uraufführung im Großen Musikvereinssaal mit 120 Sängerinnen und 80 Sängern des Philharmonischen Chors unter Mitwirkung des Wiener Lehrergesangsvereins wurde nach dem Bericht Franz Schrekers, der das Wiener Tonkünstler-Orchester »bis beinahe zur Unhörbarkeit abgedämpft« hatte, ein »unbestrittener Erfolg«.
Schönberg griff bei der Vertonung seines Chorwerkes auf ein Weihnachtsgedicht von Conrad Ferdinand Meyer zurück, das dieser im Oktober 1886 – parallel zu seiner Novelle »Die Versuchung des Pescara« – für die Weihnachtsnummer von »Schorers Familienblatt« geschrieben hatte. Der Schweizer Dichter überließ »Friede auf Erden« später auch Bertha von Suttner, deren Friedensbewegung er nahe stand, für ihre Zeitschrift »Die Waffen nieder«. Die erste Strophe des Gedichtes beginnt mit der Friedensbotschaft der christlichen Weihnachtslegende, zweite und dritte Strophe thematisieren die Weltgeschichte nach Christi Geburt als eine Zeit von Krieg, in der sich der Glaube an Gerechtigkeit und die Hoffnung auf Frieden jedoch erhalten habe; ein Friede, der in künftigen Generationen Realität werde (vierte Strophe). Conrad Ferdinand Meyers Friedenskonzept vereint die Perspektiven Realität und Ideal vor einem durchwegs säkularisierten Hintergrund, den Schönberg in seiner Vertonung (formal auf zehn Segmenten aufbauend) wieder stärker dem Religiösen annähert.
Der Einsatz von Konsonanz und Dissonanz, die Differenzierung von homophonem und polyphonem Satz entspricht einer allegorischen Sicht auf den idealen Frieden/realen Unfrieden, welche von der metaphysischen Grundvorstellung ausgeht, der Friede sei Gotteswerk. Der Kontrast von Himmel und Erde wird durch eine gelegentlich kirchentonal eingefärbte Dur-Moll-Polarität sakral gedeutet. In einem Brief an den Dirigenten Hermann Scherchen vom 23. Juni 1923 schrieb Schönberg über sein letztes in tonalem Stil komponiertes Werk, dass es »eine Illusion für gemischten Chor ist, eine Illusion, wie ich heute weiß, der ich 1906 (?), als ich sie komponierte, diese reine Harmonie unter Menschen denkbar hielt.« Im Mai 1928 verfasste er (neben Richard Strauss, Julius Bittner und Felix Weingartner) für das »8-Uhr-Abendblatt« einen Essay zum Thema »Fehlt der Welt eine Friedenshymne?«. In einem Entwurf zu diesem Beitrag wird Schönbergs distanzierte Einstellung zum Einfluss der Künste auf politisches Geschehen deutlich: »Wenn es vielleicht richtig ist, daß man religiös sein muß, wenn man Kirchenmusik schreibt, verliebt wenn man Liebeslieder [...] schreiben will, so muß man doch gewiß nicht verwundet sein um einen Verwundeten oder sterbend um einen Sterbenden zu schildern. Und so wäre es gewiß möglich eine Friedenshymne zu komponieren, ohne daß man an einen ewigen Frieden glaubt.«

Therese Muxeneder | © Arnold Schönberg Center